„300 fl für die musicalische Beihilfe“
Johann Strauss (Sohn) anerkennt die Hilfestellung Richard Genées bei der Komposition der Fledermaus
Die von der Wienbibliothek im Rathaus verwahrte Sammlung Gustav Lewy (ZPM 953) enthält ein von der Forschung bislang unbeachtetes Schreiben Richard Genées vom 30. Dezember 1890 an Johann Strauss’ Schulfreund Gustav Lewy in dessen Eigenschaft als Inhaber der Bühnenrechte an der Fledermaus. Darin geht es unter anderem offenbar um die Erträgnisse aus dem Druck des Textbuchs. Genée stellt klar:
„Mein Contract mit M. St. [Maximilian Steiner, Co-Direktor des Theaters an der Wien zur Zeit der Entstehung der Operette] lautete, daß ich für Bearbeitungen pro Act 100 fl. erhielte. Demnach wurde mir für d. Fledermausbuch 300 fl. ausgezahlt; natürlich war damit nur das Bühnenhonorar bezahlt, für alle Bühnen der Welt geltend ist das ungeheuerlich genug! Außerdem erhielt ich von Strauß resp. dessen Gattin 300 fl für die musicalische Beihilfe, – sonst nie einen Kreuzer!“
Welche der drei Ehefrauen von Strauss gemeint ist, bleibt unklar. Gleichwohl bestätigt diese Aussage die Anerkennung der musikalischen Mitarbeit Genées an der Fledermaus durch Strauss. Die Höhe der dafür zugestandenen finanziellen Abgeltung, entsprechend jener für die Erstellung des Textbuchs, ist ein Indiz dafür, dass sich diese „Beihilfe“ nicht auf Handlangertätigkeiten beschränkt haben kann.
Der zitierte Brief fügt sich in eine Reihe weiterer, seit Längerem bekannter Dokumente, welche die kompositorische Mitarbeit Genées an den frühen Operetten von Strauss belegen oder zumindest andeuten. Die beachtliche Präsenz der Handschrift Genées in der Originalpartitur etwa der Fledermaus wurde erstmals von Fritz Racek thematisiert. Norbert Linke fiel auf, dass sich die von Genée ein Jahr nach Abfassung obigen Briefs geforderte Neuverteilung der Bühnentantiemen an besagter Operette nicht bloß auf dessen Librettistentätigkeit gründen konnte, und Norbert Rubey wies in diesem Zusammenhang auf das Glückwunschschreiben Genées zu Strauss’ 50-jährigem Künstlerleben hin, in dem der Gratulant dem Jubilar die „schönen Tage“ ins Gedächtnis rief, „wo wir uns musicalische[!] Einfälle mittheilten, das rechte Wort dafür suchten, sie systemisirten, eintheilten, characterisierten, zuspitzten“.
An der bedeutenden Rolle Genées als nicht nur textlicher, sondern auch musikalischer Mitautor der frühen Operetten von Strauss sollte nun wirklich kein Zweifel mehr bestehen.
Thomas Aigner