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    Johann Strauss (Sohn) – doch kein Nichttänzer!

    Die Wiener Presse versorgte ihre Leserschaft regelmäßig mit Nachrichten über die im Herbst 1847 angetretene Balkan-Tournee von Johann Strauss (Sohn). Am 28. Oktober stand in der Allgemeinen Theaterzeitung zu lesen:

    „Den 19. Oct. hat sich Hr. Strauß, Sohn, mit seinem Orchester in Semlin producirt, und bei dem ungewöhnlich zahlreichen Auditorium einen nicht zu beschreibenden Enthusiasmus erregt. Herr Strauß hatte die Aufmerksamkeit, seine sämmtlichen Compositionen in Bezug auf Serbien zu executiren, wofür ihm auch ein beinahe endloses ‚Szivio!‘ (Er soll leben!) zugerufen wurde. Beim Finale wurden Herrn Strauß zahllose Blumensträußchen aus den zarten Händen junger Damen gespendet. Den 20. verließ Herr Strauß mit seinem Orchester-Personale die Stadt Semlin, und fuhr, vom schönsten Wetter begünstigt, auf der Donau nach dem türkischen Ufer, und zwar nach Belgrad, um in dieser jungen, sich täglich schöner entwickelnden Residenzstadt, bei Sr. Durchlaucht, dem regierenden Fürsten von Serbien, Alexander Karageorgevits, die Alexander-Quadrille selbst im Originale zu produciren.“

    Bislang unbekannt war, dass sich an das erfolgreiche Konzert in Semlin (serbisch: Zemun, damals an der österreichischen Militärgrenze gelegen, heute ein Stadtteil Belgrads) eine private Nachfeier anschloss. 1894 gratuliert die Tochter von Strauss’ dortiger Gastgeberfamilie, inzwischen unter dem Namen Marie Zacho Duma in Wien-Landstraße wohnhaft, zu dessen 50-jährigem Künstlerjubiläum mit einer sehr persönlichen Botschaft:

    „Erinnern Sie sich noch als die Semliner – unter meinen Fenstern, endlos – Zivio – Strauss! riefen? – Damals – war ich eine junge Frau mit 16 Jahren – u hatte das Glück – Sie als Gast, bei mir zu haben; wo wir die halbe Nacht, fröhlich – u tanzend, verbrachten. – Während Sie mit meinen Freundinnen tanzten; spielte ich dazu Ihre mir unvergeßlichen: Sänger-Fahrten-Walzer, am Clavier. Dan[n] mußte ich auf Ihren Wunsch tanzen; u Sie spielten dazu; was mich unendlich – glücklich machte, u was ich niemals vergessen konnte. Und heute – als alte Matrone denke ich noch mit Wehmuth jener – glücklichen Stunden, die in meinem leider – traurigen Leben – den einzigen Lichtpunkt bilden.“

    Dieser Brief, in der Wienbibliothek im Rathaus in einem Konvolut unter der Signatur Ib 170308 (H.I.N.-201912) aufbewahrt, rückt die weitverbreitete, auf Strauss selbst zurückgehende Meinung, Selbiger wäre zeitlebens ein Nichttänzer gewesen, zurecht. Ausgangspunkt dieser irrigen Annahme ist ein Schreiben an seine „innigst geliebte Adele“:

    „Wie hast Du Deinen Jean außer Rand und Band gebracht! Da hast Du’s. Wie er übermüthig wird, – da hast Du’s. Scherzen, lachen – springen, sogar tanzen möcht er, obzwar ihm das Letztere schwer fallen dürfte – war er doch nie Tänzer!“

    Will man Strauss nicht der offenen Falschinformation zeihen, so lässt sich zu seiner Entlastung ins Treffen führen, dass das Wort „Tänzer“ auf verschiedene Weise ausgelegt werden kann. Tänzer im engeren Sinn war Strauss tatsächlich nicht, aber wie nun belegt ist, heißt das nicht, dass er nicht in seiner Jugend gelegentlich – und offenbar mit Freude – das Tanzbein geschwungen hätte.

    Thomas Aigner