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  • Eduard Strauss I.
    von Prof. Norbert Rubey

    Am 28. Dezember 1916 starb in Wien im Alter von 81 Jahren k. k. Hofballmusik-Direktor Eduard Strauss I, der jüngste der drei komponierenden Söhne von Johann Strauss (Vater). Das Licht der Welt erblickte er am 15. März 1835 in der Leopoldstadt im Haus „Zum goldenen Hirschen“ (heute: Wien 2, Taborstraße 17), wo die Familie nicht nur wohnte, sondern wo auch komponiert wurde und die Orchesterproben stattfanden. Dort war er bis April 1886 zu Hause. Im Mai des Jahres übersiedelte er in eine neue Wohnung in Wien 1, Reichsratsstraße 9.

    Eduard absolvierte das Akademische Gymnasium in Wien, und er sah seine berufliche Zukunft zunächst im diplomatischen Dienst. Doch bald schon gab er der Familienräson nach und ließ sich, musikalisch gut ausgebildet, in das Musikunternehmen Strauss einspannen.

    Nachdem Eduard Strauss als Harfenist bereits im Fasching 1855 im Orchester seines Bruders Johann debütiert hatte, trat er sechs Jahre später, im Fasching 1861, auch erstmals als Dirigent auf, und zwar beim Benefizball der Brüder Strauss: Drei Orchester wechselten einander in ununterbrochenem Spiel ab, jedes von einem der drei Brüder Johann, Josef und Eduard geleitet. „Carnevals Perpetuum mobile, oder: Der Tanz ohne Ende“ lautete das Motto dieses Balls am 5. Februar 1861 im Sophiensaal in Wien. Die Uraufführung von Eduards erster Komposition, einer Polka française mit dem Titel Ideal bzw. Mes Sentiments, erfolgte im November 1862 im traditionsreichen Vergnügungsetablissement „Sperl“ in der Leopoldstadt.

    Von Beginn seiner Karriere an wurde Eduard Strauss sowohl vom Publikum als auch von der Wiener Presse an den Erfolgen seiner Brüder, insbesondere an denen Johanns, gemessen und oft für nicht ebenbürtig befunden, weder als Komponist noch als Dirigent. Boshafte Kritiken und Karikaturen geben Zeugnis davon. Trotzdem stellte er sich konsequent und erfolgreich in den Dienst des Familienunternehmens.

    Nach dem überraschenden Tod Josefs im Jahr 1870 und Johanns Hinwendung zur Operettenkomposition übernahm Eduard für mehr als 30 Jahre die alleinige Leitung des Strauss-Orchesters, das sich unter seiner umsichtigen Führung und straffen Organisation zu einem der hervorragendsten Klangkörper Wiens entwickelte. Er und die Strauss-Kapelle durften sich im Ausland zu Recht als erstrangige Interpreten von Wiener Musik feiern lassen, nicht nur auf dem unterhaltenden Sektor, sondern auch in der sogenannten E-Musik.

    Als rund um die Wiener Innenstadt eine Prachtstraße, die Ringstraße, angelegt und zusätzliche Konzertstätten errichtet wurden, erkannte Eduard Strauss die Gunst der Stunde: Mit den von ihm eingeführten „Sonntag-Nachmittagskonzerten“ im Großen Saal des neu errichteten Gebäudes der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien leistete er ab März 1870 über 30 Jahre lang einen unverzichtbaren Beitrag zum Musikleben der Stadt. Diese „Sonntag-Nachmittagskonzerte“ stellten eine enorme Bereicherung des Wiener Musiklebens dar. Viele Kompositionen seines Bruders Johann erklangen bei denselben unter Eduards Leitung zum ersten Mal. Nicht nur die Werke der Familie Strauss führte er im Rahmen der „Sonntag-Nachmittagskonzerte“ auf, sondern neben diesen standen in den Programmen auch zahlreiche Kompositionen des klassischen und romantischen Repertoires des 18. und 19. Jahrhunderts, von Mozart bis Wagner, zum Teil von Eduard eigens für die Strauss-Kapelle arrangiert. In einer vom Publikum bestens angenommenen Serie von „Komponisten-Abenden“ war jeweils ein ganzes Konzert den Werken eines einzigen Komponisten gewidmet.

    Zu Eduard Strauss’ Wiener Verpflichtungen zählten vor allem die Ausführung der unterhaltenden Musik bei Veranstaltungen des österreichischen Kaiserhauses (Hof- und Kammerbälle, Geburtstagsfeiern, Teekränzchen etc.), während des Faschings die Besorgung der Musik bei den größten und bedeutendsten Bällen Wiens (Mediziner-Ball, Techniker-Ball, Concordia-Ball usw.), die regelmäßige Durchführung von Konzerten im Volksgarten, in der „Neuen Welt“ oder im Garten der Blumensäle, um nur einige wenige zu nennen. Für sehr viele dieser Veranstaltungen komponierte bzw. widmete er neue Werke, wie es eben einerseits der Tradition und andererseits der Erwartungshaltung des Wiener Publikums entsprach.

    Darüber hinaus verbreitete Eduard Strauss als Botschafter des von ihm vertretenen Wiener Genres die eigenen, seines Vaters und seiner Brüder Kompositionen im Ausland wie niemand zuvor und danach. Ab 1878 unternahm er mit der Strauss-Kapelle regelmäßig ausgedehnte Tourneen durch Deutschland, 1885 und 1890 gab er Gastspiele in London, 1894 in St. Petersburg, 1890 und im Winter 1900/1901 in den Vereinigten Staaten. „Ich habe mit meiner Capelle in 840 Städten zweier Weltteile concertirt“, resümierte er in seinen 1906 veröffentlichten „Erinnerungen“. Dirigent und Orchester ernteten bei diesen erfolgreichen Konzertreisen stets größten Beifall.

    Im Februar 1901 löste er sein Orchester in New York auf und zog sich ins Privatleben zurück. 1907 veranlasste und beaufsichtigte er die Verbrennung des riesigen Notenarchivs der Strauss-Kapelle. Die Gründe für diese Wahnsinnstat werden wohl für immer unbekannt und unerklärlich bleiben.

    Eduard Strauss wurden zahlreiche in- und ausländische Ehrungen zuteil, Titel- und Ordensverleihungen. 1872 wurde ihm der Titel k. k. Hofballmusik-Direktor verliehen, später, um nur die bedeutendsten aufzuzählen, Ritter des Franz Joseph Ordens, große goldene Salvator-Medaille der Stadt Wien, Kommandeur und Ritter des päpstlichen Gregor-Ordens usw.

    Über 300 Tänze und Märsche komponierte Eduard Strauss, von denen die meisten im Druck erschienen sind. Wie beim Vater und bei den Brüdern boten oft tagesaktuelle Ereignisse den Anlass für ihre Entstehung. Im heutigen Repertoire der Orchester finden sich aber kaum zehn Prozent der Kompositionen Eduards. Zur lohnenswerten Wiederentdeckung harren gut dreimal so viele. Daneben arrangierte er für die Strauss-Kapelle zirka 200 Werke anderer Komponisten: Lieder, Klavierstücke, Sätze aus Sinfonien, Ouvertüren, Opernarien etc.

    Sein Urenkel, der Obmann des WISF Dr. Eduard Strauss, hat im Jahr 2000 das Testament  seines Urgroßvaters – 100 von Hand geschriebene Seiten – transkribiert und aus familiärer wie auch juristischer Sicht kommentiert. Es zeigt Eduard Strauss I als „diffizilen Herrn“.