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  • Unbekannter Walzerteil von Johann Strauss (Vater) auf einer Speisekarte
    von Prof. Norbert Rubey
    8. April 2023

    Johann Strauss (Vater), eigenhändiger Klaviersatz eines unbekannten aus zwei Themen bestehenden vollständigen Walzerteils in A-Dur, vom Komponisten datiert und signiert „Frankfurt am 4ten Dezember 1835 / Strauss“. Die Komposition ist in keiner der bekannten musikalischen Quellen zum Werk von Johann Strauss (Vater) nachweisbar, weder in Musikdrucken noch in Musikhandschriften, und stellt somit eine Rarität ersten Ranges dar. Da Strauss den offensichtlich in großer Eile niedergeschriebenen Walzerteil am Schluss datiert und signiert hat, ist davon auszugehen, dass es sich nicht um eine fremde sondern um eine eigene Komposition handelt, die er jemandem geschenkt, gewidmet oder möglicherweise an Geldes statt überreicht hatte. Skizzen oder Kompositionsentwürfe von Johann Strauss (Vater) sehen anders aus und sind in der Regel undatiert und nicht signiert.

    Strauss notierte den Walzerteil auf der Rückseite einer von unbekannter Hand geschriebenen Speisekarte des Gasthofs „Zum Weidenbusch“ vom selben Tag, nämlich dem 4. Dezember 1835. Speisekarten aus dieser Zeit sind selten und stellen ebenfalls eine außergewöhnliche Rarität dar. Im Gasthof „Zum Weidenbusch“ am Steinweg in Frankfurt am Main hatten Strauss und seine Musiker auf ihrer Konzerttournee im Herbst 1835 zweimal für einige Tage gewohnt, und sie hatten dort auch zwei Bälle gespielt. Am Vortag der Abreise hatte Strauss den bis jetzt unbekannten oben beschriebenen Walzerteil auf der Speisekarte vom Tag niedergeschrieben.

    Am 30. September 1835 war Johann Strauss (Vater) mit seinem Orchester von Wien aus zu einer ausgedehnten Konzerttournee nach Deutschland aufgebrochen. Der Orchestermusiker Johann Thyam hat in Tagebuchaufzeichnungen den Reiseverlauf, alle Orte und Wirkungsstätten sehr genau dokumentiert.

    Demnach waren Strauss und seine Musiker am 18. November 1835 um sechs Uhr abends mit der Postkutsche von Wiesbaden abgereist und um zehn Uhr nachts in Frankfurt am Main angekommen. Sie bezogen Quartier im Gasthof „Zum Weidenbusch“ am Steinweg. Nachdem sie am 20. November ein Konzert in der Oranienburg, am 22. November einen Ball im Saal des Gasthofs „Zum Weidenbusch“ und am 23. November einen weiteren Ball im Harmoniegebäude in Frankfurt gespielt hatten, reisten sie am 24. November vorerst wieder ab.

    Eine Woche später, am 1. Dezember 1835, kehrten Strauss und sein Orchester nach Frankfurt am Main zurück. Wieder logierten sie im Gasthof „Zum Weidenbusch“, wo sie am 2. Dezember 1835 den zweiten Ball spielten. Nach einem Ball am 3. Dezember in Offenbach und einem Konzert am 4. Dezember im Saal „Zum goldenen Ross“ in Frankfurt am Main reiste die Gesellschaft am 5. Dezember weiter nach Heidelberg.

    Norbert Rubey