Die Schreibweise des Familiennamens der Wiener Strauss-Dynastie ist offenbar Gegenstand heftiger Diskussionen und häufiger Fragen. Daher eine Aufklärung:
Unterschriften, Musikdrucke und Gebrauchsgegenstände belegen die Schreibweise „Strauss“. Dokumente der Nachfahren untermauern dies.
Johann Strauss (Vater und Sohn) bedienen sich bei der „ss“-Schreibung eines im 19. Jahrhundert weitgehend vergessenen Verdopplungszeichens für Konsonanten, das aussieht wie der Kleinbuchstabe „h“ in Kurrentschrift, dem dann das auslautende „s“ folgt.
Kleinbuchstabe „h“ in Kurrentschrift bzw. Verdopplungszeichen in Schreibschrift. © Norbert Rubey. Dieses Zeichen wird auch in kursiver Druckschrift verwendet, wohingegen bei gerader Druckschrift der lateinische Kleinbuchstabe „h“ gesetzt wird, also „hs“ für „ss“.
Johann Strauss (Vater) zeigt dem Wiener Musikverleger Anton Diabelli den Verlagswechsel zu Tobias Haslinger an: Wien, 22. 09. 1828. © Wienbibliothek im Rathaus (WBR), H.I.N.-135798.
Strauss unterscheidet zwischen „ß“ und „ss“: 2. Zeile mit falsch geschriebenem Namen „Haßlinger“, und das Wort „daß“ (6., 10. Zeile) – wohingegen er mit „J. Strauhs mpia“ [J. Strauss, manu propria (= eigenhändig)] unterschreibt (letzte Zeile).
Zurückgehend bis ins 17. Jahrhundert zum Ururgroßvater Georg Lanner [Lahner] des Wiener Komponisten Joseph Lanner (1801–1843) wurde der Familienname bis hin zum Großvater Peter Lanner [Lahner] in den Kirchenbüchern (Taufe, Trauung, Tod) fast ausnahmslos mit dem alten Verdopplungszeichen der Kurrentschrift „h“ geschrieben – also „Lahner“ für Lanner – wiewohl vereinzelt bereits auch die Schreibweise „Lanner“ zu beobachten ist, offensichtlich je nach Alter des eintragenden Priesters.
Johann Strauss (Sohn), Widmung eines Albumblattes mit der Annen-Polka, op. 117: oben: „Polka gemäßigtes Tempo“, eindeutig mit „ß“ geschrieben unten: „Zur freundlichen Erinnerung / von Joh. Strauss / 18t[er]. Juli [1]854.” © WBR, MHc-21120
Neues Briefpapier anlässlich der Verleihung des Titels k. k. Hofball-Musikdirector, 1863. Der Name Strauss ist auch in altdeutscher Frakturschrift mit „ss“ geschrieben. Brief an den Musikverleger Carl Haslinger, Wien 1863. © WBR, H.I.N.-201778
Hier der Briefkopf vergrößert:
Titelseite der Klavierausgabe von Johann Strauss (Vater) Das Leben ein Tanz, oder: Der Tanz ein Leben!, Walzer, op. 49. © WBR, Schneider 104.
und hier der Ausschnitt aus dieser Titelseite mit dem Impressum des Musikverlags Haslinger, Wien 1832:
„[…] am Graben, Sparcahse [= Sparcasse] No. 572. / Jos[eph] Krehs [= Kress] sc[ulpsit] (lat.: hat [es] gestochen).“ Nie wurde und wird „Sparkaße“ geschrieben
Josef Strauss (1827-1870) hat sich meist mit ss unterschrieben
Mein Urgroßvater Eduard Strauss I (1835-1916) (unter)schrieb sich zwar als einziger (!) mit „ß“, ließ aber den Schreiber seines über 100 Seiten starken Testaments im Fließtext in moderner Schrift Strauss schreiben.
Ich besitze ein Petschaft meines Urgroßvaters mit dem Namenszug Eduard Strauss:
Petschaft (Stempel zum Siegeln) von Eduard Strauss I (1835–1916) in altdeutscher Frakturschrift. © Privatarchiv Prof. Dr. Eduard Strauss, © Foto und Spiegelung, Georg Brennwald.
Sein Grabdenkmal hat Eduard Strauss I selbst in Auftrag gegeben und ließ seinen Namen mit ss schreiben.
Johann Strauss III (1866 – 1939; siehe Stammbaum) schrieb und unter schrieb sich mit „ss“:
Spätestens ab der Generation meines Vaters Eduard Strauss II (1910 – 1969; siehe Stammbaum) wird unser Familienname in allen amtlichen Urkunden mit „ss“ geschrieben; und zwar sowohl in den handschriftlichen als auch in den druckschriftlichen Ausführungen.
Mein Vater hat immer auf die Schreibung unsres Namens mit „ss“ Wert gelegt. Ich bin auch mit den Nachkommen nach Josef Strauss einig, dass wir den Namen unserer Familie Strauss schreiben wollten und wollen.
Dass „man“ unsere Familie mit „ß“ und Richard Strauss mit „ss“ schreibt – woran sich im Übrigen aus schrifttheoretischen Gründen niemand stößt – mag eine liebgewordene und zur Unterscheidung der Komponisten praktische Tradition sein! Sie stellt aber keine ausreichende (wissenschaftlich tragfähige) Begründung für eine Schreibweise dar! Auch dass wir das „immer schon so gemacht haben“ ist kein tragfähiges Argument.
Es gibt übrigens auch Nachweise, dass der Vater von Richard Strauss, Franz Strauss mit ß geschrieben wurde:
Das als „hs“ missdeutete Zeichen ist nicht ein zu allen Zeiten unbestrittenes Zeichen für ß.
Schon in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts wirft man der Familie „Fehlschreibung“ des eigenen Namens vor.
Aber wir wissen, wie wir uns in allen Generationen schreiben (lassen wollen).
Die Strauss-Gesellschaften und -vereine in aller Welt bedienen sich auch wegen der internationalen Lesbarkeit sowieso schon längst der Schreibweise Strauss.
Prof. Dr. Eduard Strauss in enger dankenswerter Zusammenarbeit mit Prof. Norbert Rubey; September 2024
PS.: Manche der Urkunden habe ich hier auch in die „Bildergalerie“ gestellt, damit man sie sich besser vergrößern kann.