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  • An der schönen blauen Donau
    von Norbert Rubey

    Johann Strauss (Sohn), An der schönen, blauen Donau, op. 314

    Arrangement für Klavier zweihändig, Erstausgabe, C. A. Spina, Wien 1867.
    Standort: Wienbibliothek im Rathaus, Musiksammlung, Signatur Mc-58069.

    Johann Strauss (Sohn) war im Sommer 1865 vom Wiener Männergesang-Verein eingeladen worden bei einer Sommerliedertafel am 17. Juli im Hietzinger Vergnügungspark „Neue Welt“ mitzuwirken. Er konnte dieser Einladung jedoch nicht nachkommen, weil er seiner vertraglichen Verpflichtung zur Leitung der Konzerte in Pawlowsk bei St. Petersburg nachkommen musste. Als Ersatz bot er dem Wiener Männergesang-Verein für den Sommer des Jahres 1866 eine neue Komposition an. Im Fasching 1867 löste er mit dem Walzer „An der schönen, blauen Donau“ sein Versprechen schließlich ein.

    Nach Strauss’ üblicher Arbeitsweise – die autographe Orchesterpartitur ist leider verschollen – hatte er sicher nicht vor dem Spätherbst 1866 mit der Komposition des Walzers begonnen; wahrscheinlich entstand das Werk erst im Winter 1866/67. Dafür spricht Strauss’ Entschuldigung auf der einzigen bekannten autographen Quelle, der im Jänner oder Februar 1867 in großer Eile geschriebenen Klavierbegleitung zur Stütze des Chores bei der Einstudierung: „Bitte ob der schlechten und unsauberen Schrift um Verzeihung[,] ich mußte binnen weniger Minuten damit fertig werden.“ Bei den ersten vier Walzer-Teilen hatte Rudolf Weinwurm, der Chorleiter des Wiener Männergesang-Vereins, die Chorstimmen zu Strauss’ abgelieferter Klavierbegleitung geschrieben, nur beim fünften Walzer stammen auch die Chorstimmen von Strauss’ Hand. Noch vor der Uraufführung korrigierte Josef Weyl, ein Mitglied des Wiener Männergesang-Vereins, den von ihm stammenden ursprünglichen Text „Fasching ist da“ in „Wiener seid froh!“ Es ist dies ein satirischer Text, der die Not (Choleraepidemie!) und Armut der Wiener Bevölkerung nach dem 1866 verlorenen Krieg gegen Preußen zum Hintergrund hat.

    Titelbezüge zeigen sich zum Refrain „An der schönen blauen Donau“ des Gedichts An der Donau (Leipzig 1852) von Karl Beck sowie zur dritten Strophe „An der schönen, blauen Donau liegt mein Dörfchen still und fein“ eines Gedichts Die feindlichen Brüder (Gesänge Aus der Heimath, Dresden 1852).

    Die Uraufführung in der Fassung für Männerchor und Orchester fand erfolgreich bei der „Faschings-Liedertafel“ des Wiener Männergesang-Vereins am 15. Februar 1867 im Dianabad-Saal in Wien statt. Der Wiener Männergesang-Verein sang Josef Weyls Text „Wiener seid froh!“, es spielte die Kapelle des Infanterie-Regiments Nr. 42 König von Hannover, Chorleiter Rudolf Weinwurm leitete die Aufführung. Der Wiener Männergesang-Verein dankte Strauss mit der Überreichung eines Golddukatens.

    Die Orchesterfassung (ohne Chor) erklang erstmals bei der „Carnevals-Revue“ am 10. März 1867 im k. k. Volksgarten in Wien. Es war dies ein „Benefice-Concert“ zugunsten der Brüder Josef und Eduard Strauss. Bei dieser Aufführung seines Walzers An der schönen blauen Donau dirigierte Johann Strauss selbst die Strauss-Kapelle.

    Bereits 1868 änderte Josef Weyl den Text nochmals: „Was woll’n wir mehr?“ – Die heute bekannteste Textunterlegung „Donau so blau“ stammt von Franz von Gernerth aus dem Jahr 1889. Mit diesem Text wurde der „Donauwalzer“ erstmals am 2. Juli 1890 im Dreher-Park in Wien aufgeführt. Wieder sang der Wiener Männergesang-Verein, diesmal begleitet von der Kapelle des Infanterie-Regiments Nr. 84 Freiherr von Bolfras.

     

    Nachsätze

    Auch der Titel des Walzers ist dem Text entsprechend satirisch gemeint und (nur) so zu verstehen!

    Auch bei der Uraufführung in der Chorfassung erklang der Walzer mit Einleitung! Die Anmerkung „Introduction tacet“ im Autograph ist der Beweis dafür und bedeutet nur, dass der Chor während der Introduktion zu schweigen hat (tacet)!

    Die Regimentskapellen waren zu dieser Zeit nicht reine Blasorchester, sondern volle Orchester also auch mit Streichern!

    Der Walzer erlebte schon bei der Uraufführung einen durchschlagenden Erfolg und wurde in Presseberichten über den Uraufführungsabend bereits als „Schlager“ bezeichnet.

    Eduard Strauss

     

    Originaltext

    Der bei der Uraufführung gesungene – gar nicht blöde – Originaltext von Josef Weyl lautet:

    Wiener seid froh!
    Oho, wieso?
    No, so blickt nur um!
    Ich bitt, warum?
    Ein Schimmer des Lichts!
    Wir seh’n noch nichts.
    Ei, Fasching ist da!
    Ah so, na ja!
    Drum trotzet der Zeit!
    0 Gott, die Zeit!
    Der Trübseligkeit.
    Ah! das wär’g’scheit!
    Was nutzt das Bedauern,
    Das Trauern,
    Drum froh und heiter seid!
    Ehrt das Faschingsrecht,
    Wenn auch noch so schlecht
    Die Finanzen,
    Lasst uns tanzen!
    Heutzutage schwitzt,
    Wer im Zimmer sitzt,
    G’rad so wie der Tänzer Schwall.
    Auf’m Ball!

    Der Bauer kratzt sich sehr,
    Dass die Zeiten gar so schwer;
    Nimmt sich an Rand mit G’walt,
    Zum Steueramt rennt er halt
    Hin und zahlt.
    Das Geld ist jetzt hin, das is‘ g’wiß,
    Das geb’ns nit mehr heraus,
    So, weil jetzt der Fasching g’rad’is‘,
    Ist Ball im G’moawirtshaus,
    ‚S gibt saub’re Diarndl’n noch,
    An G’strampften tanz’n wir hoch,
    Wann uns das Geld
    Auch fehlt.
    Es hat ja fast d‘ ganze Welt Kein Geld!

    Ein dicker Hausherr, der ärgert sich sehr,
    Es steh’n im Haus alle Wohnungen leer,
    ‚S macht nix, er geht trotz seiner Gall‘
    Halt doch auf‘n Maskenball.
    Fehl’n auch sechs Zinsparteien,
    G’steigert wer’n d’andern halt,
    Morg’n zieht a Künstler ein,
    Der aber g’wiss nix zahlt,
    Pfänd’t man, ist ärgerlich,
    D‘ Leut hab’n nix hint‘ und vorn‘,
    So denkt der Hausherr sich
    Und tanzt voll Zorn.

    Der Künstler fühlt in der Grazien Näh‘
    Wohl sich und weh,
    Wie’s Fischlein im See,
    Verkörpert sieht er im heitersten Strahl
    Sein längst schon geträumtes Ideal.
    Er ist’s, dem die Musen die Stirne geküßt,
    ‚S Leben versüßt,
    Den die Schönheit begrüßt.
    Wo Freude und Liebe erblühen im Keim,
    Fühlt sich der Künstler daheim.
    Rasch in Schwung,
    Frisch und jung
    Kündet meisterlich
    Jeder Künstler sich,
    D’rum mit Recht steht die Kunst
    Bei den Damen in so hoher Gunst.

    Selbst die politischen, kritischen Herr’n
    Drehen weise im Kreise sich gern,
    Wenn auch scheinbar bewegend sich keck,
    Kommen doch sie niemals vom Fleck.
    Wie sie so walzen, versalzen sie meist
    Trotz der Mühen die Brühen im Geist,
    Wie’s auch Noten schreib’n noch so exakt,
    Kommen’s leider Gott stets aus dem Takt.
    Drum nur zu,
    Tanzt ohne Rast und Ruh‘,
    Nützet den Augenblick,
    Denn sein Glück
    Kehrt nicht zurück.
    Nützt in Eil‘
    Das, was euch heut zuteil,
    Denn die Zeit entflieht,
    Und die Rose der Freude verblüht!
    Drum tanzt, ja tanzt!