[Dompfarre St. Stephan, Trauungsbuch 60, fol. 210v]
Testim(onium) baptismi ostendit et iterum recepit. Sponsus in tribus denunciat(ionibus) dispensatus ab a(dmodum) r(everendissimo) P(atre) Kampmiller; Sponsa authoritate ordinaria; deposito utriumque libertatis juramento, cop(ulati) sunt 11. Febr.
Der ehrbare Johann Michael Strauß, Bedienter bey titl. Excell. H(errn) Feldmarschall Grafen von Roggendorff, ein getauffter Jud, ledig, zu Ofen gebürtig, des Wolf Strauß und Theresá ux(oris), beyden jüdisch (durchgestrichen: gestorbenen) abgelebten, ehe(liche)r Sohn;
Mit der ehr- und tugendsamen Rosalia Buschinin, zu Gföll in U(nter-) ö(sterreich) gebürtig, des Johann Georg Buschini, eines gewesten Jägers, und Evae Rosinae ux(oris) ehelichen Tochter.
Testes: Adam Martin Mohr, ein Cattonformstecher im groß(en) Eisenhutischen Haus beym Arsenal, und Leonard Griffeneder, Bedienter bey titl. H(errn) Grafen Reinhardt von Starhemberg.
(Übersetzung der ersten lateinischen Vermerke: Er zeigte das Taufzeugnis vor und nahm es wieder zu sich. Der Bräutigam wurde von den drei Aufgeboten durch den sehr ehrenwerten Pater Kampmiller dispensiert, die Braut mit der Bewilligung des Ordinariats. Nach von beiden abgelegtem Eid, daß sie noch ledig wären, sind sie am 11. Februar getraut worden).
(nach Hanns Jäger-Sunstenau: “Johann Strauß Der Walzerkönig und seine Dynastie; Familiengeschichte, Urkunden”, Verlag Jugend und Volk Wien, 1965 S. 86,87; Zitat, daher in der überholten Schreibweise mit „ß“)
Das Trauungsbuch Nr. 60 (1761-1762) des Dompfarramtes St. Stephan wurde dort beschlagnahmt und dem Reichssippenamt in Berlin übergeben.
In der Reichshauptstadt nahm man daraufhin das ganze Buch Seite für Seite mit Kleinfilm auf und stellte eine Kopie auf dickem Fotopapier her, die in vier Bände eingebunden wurde.
Der erste Band erhielt als erstes Blatt eine “Beschreibung” und diese links unten eigens aufgeklebt einen mit dem Dienstsiegel des Reichssippenamtes versehenen Beglaubigungsvermerk: “Die Übereinstimmung umstehender Fotokopie mit dem vorgelegten Original wird hiermit beglaubigt. Berlin, den 20. 2. 1941. Reichssippenamt”.
Original und Kopienbände gingen nach Wien zurück, ersteres wurde in einem Tresor des Haus-, Hof- und Staatsarchivs versperrt, die Kopienbände der Dompfarre St. Stephan zur Einordnung in die Reihe der Trauungsbände übergeben.
Auf der erwähnten ersten Seite drückte man neben die Stampiglie des Reichssippenamtes auch noch diejenige des Dompfarramtes Sankt Stephan auf. Dem Kenner, der die Kopie zur Hand nahm, war es nach Durchsicht sofort klar, worum es gegangen war. Suchte er nämlich auf Blatt 210 Rückseite den von ihm früher aus dem Original abgeschriebenen Trauungsfall Strauß, musste er nun eine wesentliche Änderung feststellen. In der Kopie, deren Seite 210verso in Berlin fälschlicherweise die vom nächsten Blatt herübergenommene Bezeichnung 211 erhalten hatte, fehlte nämlich die Eintragung Strauß und an ihrer Stelle war die folgende Eintragung des Schustermeisters Johann Georg Rupprecht an die vorhergehende Eintragung dem Oberleutnants Franz de Dux unmittelbar angerückt.
Schlug er daraufhin im Index auf Blatt 361 in der ersten Kolonne unten den Namen Strauß nach, wurde ihm auch hier eine Überraschung zuteil. Der früher vorhanden gewesene Hinweis auf Blatt 210 war nicht mehr vorhanden. An seiner Stelle bemerkte man nur einen dem Kenner allein verständlichen, von einer Abdeckung bei der Fotoaufnahme herrührenden Oberstrich. Dabei kam den Fälschern der Umstand zustatten, daß sie im Index nicht wie bei der Trauungseintragung auf Blatt 210 selbst den ganzen Namen zu tilgen, sondern nur die Zahl 210 verschwinden zu lassen brauchten, weil der Name an sich mit der ersten Hinweiszahl auf Blatt 51 ohne weiters stehen bleiben konnte, da die auf dem genannten Blatt verzeichnete Eheschließung eines Strauß keinen Verwandten der Musikerdynastie betrifft.
So hatte man also das gewünschte Ziel erreicht: die leidige Strauß-Eintragung war den Augen aller Neugierigen entzogen und die Straußmusik, “die so deutsch ist” wie der Stürmer schrieb, konnte weiterhin von allen Reichssendern ausgestrahlt werden. Zur Erreichung eines so edlen Zweckes war es nach damaliger Ansicht nur recht und billig, eine nebensächliche Urkundenfälschung zu begehen. Um eine solche handelt es sieh unwiderlegbar infolge der mit dem amtlichen Siegel bekräftigten Übereinstimmungsklausel vom 20. Februar 1941.
Kurze Zeit nach der Befreiung holte das Dompfarramt den Originalband aus dem Haus-, Hof- und Staatsarchiv zurück und bewahrt nebenher die Kopie als Zeugnis für eine typische Handlung der Machthaber im “tausendjährigen Dritten Reich.”