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  • Johann Strauss Enkel

    Johann (Maria Eduard) Strauss [Enkel] wurde am 16. Februar 1866 in Wien in der Familienwohnung im Hause „Zum goldenen Hirschen“, Taborstrasse 17b in der Leopoldstadt, geboren. Er war der ältere der zwei Söhne des künftig ausgezeichneten k. k. Hofballmusik-Direktors Eduard Strauss (1835–1916) und dessen Gattin Maria Magdalena Klenkhart (1840–1921). Im Laufe seiner langen beruflichen Laufbahn war er als Johann Strauss Enkel, Johann Strauss III und auch – irreführend – als Johann Strauss junior bekannt. Ab dem siebenten Lebensjahr erhielt er Klavier- und Violine-Unterricht, später studierte er Musiktheorie bei Karl Nawratil (1836–1914). Nachdem er 1884 am Wiener Schottengymnasium die Matura erfolgreich abgelegt hatte, studierte er Jus an der Universität Wien. Im Jahr 1890 trat er in den k. k. Staatsdienst ein und arbeitete im Rechnungs-Departement des Ministeriums für „Cultus und Unterricht“, wo er es ab 1898 bis zum Rang eines „Rechnungs-Revidenten“ brachte. Später, im Jahr 1921, erinnerte er sich aber folgendermaßen daran:

    „Mein Vater […] Eduard Strauss, wollte mich nicht als seinen Nachfolger haben, sondern bestimmte mich für den Staatsdienst. […] Doch ich hatte die Musik im Blut und sehnte mich fort von der Beamtenwelt und ihren Reden. Es war besonders mein Onkel Johann, der meine Neigung zur Musik unterstützte. Er kontrollierte meine Kompositionsversuche, er ließ mich sogar seine eigenen Orchesterkompositionen für Klavier bearbeiten und förderte damit auf viele Arten meine musikalischen Studien.“

    (Nya Dagligt Allehanda, 21. Dezember 1921. Aus dem Schwedischen übersetzt von Berth Vestergård.)

     Noch während seiner Jahre im Ministerium wurde 1898 seine erste und einzige Operette, Katze und Maus, im Theater an der Wien aufgeführt. Kommerziell war sie kein Erfolg, aber die Erfahrung motivierte Johann dazu, sich hauptberuflich der Musik zu widmen. Am 17. Februar 1900 debütierte er als Dirigent mit seinem Orchester von 60 Musikern – weit weg von den neugierigen Ohren der Wiener – bei einem „Grande-Élite-Maskenball“ im Etablissement „Somossy Mulató“ in Budapest, für den er seine Budapester-Polka, op. 26, komponierte. Um den „glänzenden Erfolg“ seines Debüts zu festigen, unternahm er von Mai bis Oktober 1900 eine Konzertreise durch Deutschland und Holland mit 42 seiner Musiker. Am 3. November desselben Jahres folgte sein erstes Auftreten in Wien, bei dem er sein eigenes Orchester für ein Festkonzert zu Gunsten des Lanner-Strauss [Vater]-Denkmalfonds nochmals dirigierte. In den Jahren 1901 bis 1906 leitete er die Musik für den jährlichen „Hofball“ und „Ball bei Hof“ in der kaiserlichen Hofburg in Wien. Als Folge von ungünstigen Umständen wurde ihm der Titel „k. k. Hofball-Musikdirektor“ nie verliehen. In dieser Zeit spielte er auch für viele der führenden Elite-Bälle während des Wiener Faschings. Bei einigen seiner frühen Konzertreisen wurde er wiederholt von diversen unglücklichen Zwischenfällen heimgesucht, so dass er in finanzielle Schwierigkeiten geriet und „der selbstverschuldeten Krida“ angeklagt wurde. Er wurde im November 1906 schuldig gesprochen. Im folgenden Jahr übersiedelte er mit seiner Familie nach Berlin, die Stadt die er für den Rest seines Lebens als seinen Hauptwohnsitz und -arbeitsplatz betrachtete. Um der Einberufung in Deutschland zu entgehen, zog er im Oktober 1916 wieder nach Wien, kurz vor dem Tod seines Vaters, kehrte aber im Mai 1918 nach Berlin zurück.

    Vor dem Ersten Weltkrieg hatte Johann mit seinen Musikern ausgedehnte Konzertreisen in ganz Europa unternommen. Bei Kriegsausbruch löste er sein Orchester auf und trat danach in der Regel als Gastdirigent auf. Für den Großteil seiner Karriere entfaltete er eine intensive Reise- und Konzerttätigkeit, und er gab an, allein zwischen 1921 und 1925 in Deutschland 187 Orchester dirigiert zu haben. Er besuchte viermal Großbritannien (1902, 1927, 1928 und 1931) und unternahm zwei Konzertreisen nach Amerika (1934 und 1937). Am 1. August 1931 trat er in dem neu eröffneten und voll besetzten Stadion im Wiener Prater auf, wo er vor 60.000 Zuhörern ein Orchester von 830 Musikern (darunter 530 Violinen und 40 Zithern) in einem der Musik seines Onkels Johann gewidmeten Programm dirigierte. Am 11. Juni des folgenden Jahres trat er dort in einem weiteren spektakulären Konzert mit einem noch größeren Orchester von fast 1.000 Musikern nochmals auf.

    Schon 1889 hatte Eduard Strauss I. fünf Zylinderaufnahmen für die Firma Edison eingespielt, um das neue Medium vorzuführen. Leider sind sie alle verschollen, aber es war Johann Strauss (Enkel), der die Strauss-Dynastie und ihre Musik in das 20. Jahrhundert mit seinen Tonträgern hineinführte. In den Jahren 1902 und 1903 dirigierte er elf Kompositionen mit dem „Johann Strauss Orchestra, Vienna“ für Aufnahmen der „Deutsche Grammophon GmbH“. In den folgenden Jahren etablierte er sich als Dirigent von Aufnahmen für die Tonträger von mehreren Unternehmen und wurde 1909 von der National Phonograph Company Ltd. eingeladen, als Aufnahmeleiter und Dirigent für deutsche Produktionen der Berliner Tonaufnahmenabteilung von Edison Records zu fungieren. Im Laufe von rund 30 Jahren produzierte er eine große Anzahl von Aufnahmen, besonders auf Wachs-Zylindern, wobei es keineswegs nur um die Musik seiner Familie ging. Leider hat er nur vier seiner eigenen Kompositionen aufgenommen: Gruß aus Wien, Walzer op. 24; Dem Muthigen gehört die Welt, Walzer op. 25; Mit vereinten Kräften, Marsch op. 29; Im Galopp op. 34.

    Johann Strauss (Enkel) trat am 26. Dezember 1938 bei einem Konzert der Dresdener Philharmoniker zum letzten Mal als Dirigent auf. Er ist der einzige Musiker der Strauss-Dynastie, dem ein Orden von der königlichen Familie Großbritanniens verliehen wurde. Im Jahr 1903 ernannte ihn König Eduard VII. zum Mitglied des „Royal Victorian Order“, nachdem er 1902 anlässlich dessen Krönung König Eduard und Königin Alexandra seinen Krönungs-Walzer op. 40 gewidmet hatte.

    Während er noch an Plänen für weitere Konzertreisen arbeitete, starb er am 9. Jänner 1939 in seiner Wohnung in Berlin-Schöneberg. Er hinterließ seine Gattin, Maria Emilie Karoline (geb. Hofer, 1867–1939), einen Sohn, Johann Eduard Maria (1895–1972), und zwei Töchter, Maria Pauline Anna (1900–1986) und Angelica Maria Pauline (1901–1979).

    Obwohl Johann Strauss (Enkel) in erster Linie als Interpret der Musik seiner Familie bekannt war, komponierte er auch rund 70 Tänze und Märsche, von denen ca. 26 veröffentlicht wurden. (Dass es ein Opus 40 gibt, ist irreführend, weil die Opusnummern 12 bis 23 unbesetzt blieben.) Er war in der Orchestrierung nicht so geschickt wie seine Vorfahren und verließ sich in dieser Hinsicht auf den Dirigenten, Arrangeur und Militärmusiker Adolf Ischpold, zumindest in seinen früheren Jahren. Insbesondere seine Walzer widerspiegeln den „modernen“ Stil und die Art der Instrumentierung von Komponisten der „Silbernen Ära“ wie Franz Lehár. Seine Galopps und Schnellpolkas zeigen jenen Schwung und Elan, den man auch bei seinem Vater Eduard I. findet.

    Peter Kemp

    Übersetzung aus dem Englischen: Leigh Bailey/Eduard Strauss

    Photos: Familienarchiv Dr. Eduard Strauss