Die Wiener „Firma“ Strauss und ihre Verleger weltweit von den Anfängen bis morgen
Nicht allein die Qualität eines Produkts entscheidet über dessen Verbreitung. Ohne Werbung, ohne Maßnahmen zur Erzielung großer Breitenwirkung und ohne grenzüberschreitenden Vertrieb bleiben die besten Erzeugnisse Ladenhüter. Auf die Musikproduktion übertragen mögen zwei prominente Beispiele dies belegen: Schuberts genialen Kompositionen blieb zu seinen Lebzeiten eine breitere Öffentlichkeit versagt, weil sie zu wenig beworben und kaum zugänglich waren. Als Mozart dem werbewirksamen Mythos eines Wunderkindes entwachsen und damit einer zugkräftigen Vermarktungsschiene verlustig geworden war, hatte er zunächst eine Durststrecke im Ansehen als Komponist zu bewältigen.
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelten der Wiener Musikverleger Tobias Haslinger und der junge Komponist und Orchesterleiter Johann Strauss (Vater) neue Strategien zur Verbreitung unterhaltender Musik. Einerseits nützte man den aktuellen Trend zum Geniekult durch den allein schon Massenhysterien auslösbar sind. Andererseits wurde der sich entwickelnden bürgerlichen Musikkultur mit einem breiten Angebot neuer Musikerzeugnisse begegnet. In der Folge beschäftigten nicht nur die Musikdirektoren tüchtige Arrangeure sondern vor allem auch die Musikverlage. Mitunter wurden sogar Spezialisten herangezogen um instrumentengerechte Bearbeitungen eines Werks beispielsweise für Klavier, Gitarre oder Zither zu erstellen. Darüber hinaus vermittelten die Verleger Kontakte ins Ausland etwa zur Vorbereitung einer Konzerttournee. Mit der Entwicklung neuer kostengünstiger Druckverfahren in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden Notenausgaben auch für ärmere Kreise erschwinglich.
Inwieweit waren die Musikverlage der Strauss-Ära tatsächlich Vorreiter heutiger PR-Agenturen? Marktnischen entdeckten sie, und Kulturexport und -austausch liefen zunächst über den Verlag. Nebenbei blühte das „Walzergeschäft“ für Komponist und Verleger gleichermaßen. Daraus resultierende Verstimmungen gehörten zur Tagesordnung. Die Einführung von Urheberrecht und Schutzfristen inspirierte den Karikaturisten Theo Zasche zu einer Massenszene vor dem „Wiener Tantiemen-Auslaufbrunnen“. Kaum werden Werke frei, schlägt den „Nachschaffenden“ die Stunde. Das Verlagskarussell beginnt sich erneut zu drehen. Wie können heute Komponist, Verleger und Konsument von modernen Vermarktungsstrategien – etwa dem World Wide Web – profitieren?
Norbert Rubey